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Der große Mondschwindel

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(© -cst-) – Ein kleiner Scherz kommt fast immer gut an. Allerdings besteht dabei die Gefahr, dass man es damit zu bunt treibt und keiner mehr weiß, was wahr und was erfunden ist. Die Leser der amerikanischen Tageszeitung New York Sun wussten im Jahr 1835 jedenfalls nicht so recht, was sie von den sechs Artikeln halten sollten, die die Redaktion in den letzten Augusttagen in ihr Blatt rücken ließ.

Die Enthüllungen waren in der Tat sensationell. Der Mond hatte die Menschen schon immer fasziniert, nur ahnte natürlich keiner, was dort wohl zu finden sein würde. Jetzt aber wusste man es. Verantwortlich dafür war der berühmte britische Astronom Sir John Herschel (1792 bis 1871), der in seinem Observatorium am Kap der Guten Hoffnung in Südafrika ein vollkommen neuartiges Teleskop verwendete, mit dem der Sternenhimmel tausendmal präziser untersucht werden konnte als jemals zuvor.

Was aber hatte Herschel entdeckt? Das, was der Mensch in seinem tiefsten Inneren schon immer für möglich gehalten hatte: Leben auf dem Mond. So klassifizierte Herschel alleine achtunddreißig Sorten Waldbäume und fast zweimal so viele Pflanzen, die sich allerdings von den irdischen fast vollkommen unterschieden. Noch beeindruckender als die Flora war freilich die Fauna. So fand sich unter den neun Gattungen verschiedenster Säugetiere (neben fünf eierlegenden Arten) auch ein zweifüßiger Bieber, der dem irdischen bis auf den fehlenden Schwanz fast bis aufs Haar glich.

Aber es kam noch besser. Auf dem Mond lebten nämlich auch menschenähnliche, vier Fuß große Geschöpfe, die mit Ausnahme des Gesichts mit kurzen, glatten, kupferfarbigen Haaren bedeckt waren und außerdem Flügel besaßen, die aus einer dünnen elastischen Haut bestanden; der Mund im gelblichen Gesicht dieser Wesen stand weit hervor, das Haupt- war dunkler als das Körperhaar, dicht und gekräuselt, nicht aber wollig. Herschel hatte den Fledermausmenschen entdeckt, dem er den wissenschaftlichen Namen Vespertilio-homo gab – eine Weltsensation.

Tatsächlich sprach ganz Amerika von nichts anderem als von Herschels Entdeckungen auf dem Mond. Andere Zeitungen druckten die Artikelserie sofort nach, erst in New York, später auch in anderen Städten der USA und sogar in Europa. Manche glaubten die Geschichte, viele andere blieben jedoch von Beginn an skeptisch. Als Aufklärer betätigte sich James Gordon Bennett, der am 31. August 1835 im New York Herald einen entsprechenden Artikel verfasste und auch einen von nur zwei Mitarbeitern der Sun als denjenigen bezeichnete, der seiner Meinung nach für den Schwindel verantwortlich war: Richard Adams Locke.

Die Geschichte war zwar ein Schwindel, dafür aber ein überaus gut gemachter. Heute wäre solch eine Zeitungsente wohl undenkbar. Oder?


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